Erfahrungsberichte

Sprachheilpädagogin M.A. Annina Weniger

Sprachtherapie bei ALS

Herr Weber erhielt seit dem 02.07.07 einmal wöchentlich Sprachtherapie in der Praxis Sprachtherapie Klaas.

Die Ziele der Sprachtherapie bei ALS-Patienten bestehen vor allem darin, die Funktionen so lang wie möglich zu erhalten. Dabei geht es um die Vitalfunktionen Atmung und Schlucken, aber natürlich auch um die Deutlichkeit des Sprechens.

Durch verschiedene Therapieverfahren (z.B. ORT, PNF) können die Nerven und Muskeln im Mund- und Gesichtsbereich stimuliert bzw. fasziliert werden. Auch aktive Artikulationsübungen (u.a. Diadochokinese) helfen die Deutlichkeit des Sprechens zu erhalten.

Übungen zur Verbesserung bzw. Erhaltung des Stimmklangs tragen zur Erhöhung der Verständlichkeit des Betroffenen bei.

Atemübungen sollen die Ruheatmung vertiefen und die Funktion des Zwerchfells sowie der Interkostalmuskulatur unterstützen. Die Sprechatmung kann trainiert werden (z.B. reflektorische Atemergänzung, Abspannen), damit der Patient die Ausatmungsphase effizient für das Sprechen nutzen kann.

Die Zungen-, Lippen-, Velum- und Kehlkopfmuskulatur zu kräftigen bzw. zu erhalten ist wichtig, um so lange wie möglich die orale Nahrungsaufnahme und das Sprechen zu ermöglichen.

Für besonders sinnvoll halte ich es, frühzeitig einen Sprachcomputer anzuschaffen, der dem Patienten Kommunikation ermöglicht, wenn seine Fähigkeit zu sprechen nicht mehr vorhanden ist. Wird dieser rechtzeitig angeschafft, ist er sogar in der Lage, ihn selbst zu besprechen und seine eigenen Belange in die Gestaltung des Inhalts mit einzubringen.

Annina Weniger

Sprachheilpädagogin M.A.

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Andreas Olbrich, Physiotherapeut

Hr. Weber wurde in der Zeit von April 2008 bis Dezember 2009 regelmäßig in unserer Kg-Praxis behandelt; Mo Doppelbehandlung, Mi ½ Std.

Anfangs war die Motorik der Arme zwar schon stark eingeschränkt, jedoch waren Restfunktionen noch erhalten: Hände schütteln, Namen schreiben/Unterschrift, das Bedienen der Computermaus. Im weiteren Verlauf war die Funktion der Arme relativ zügig fast komplett rückläufig (Muskelstatus 0-1). Die Rumpfkontrolle und insbesondere die Kopfkontrolle wurden immer schwieriger.

Die Kraft in den großen Muskelgruppen der unteren Extremität wurde zwar weniger, jedoch konnte Hr. Weber bis kurz vor seinem Tod mit nur leichter Unterstützung die Praxis aufsuchen.

Ziel der KG-Therapie war es:

  1. der Atrophie der Muskulatur einen Trainingsreiz entgegen zu setzen, um die Funktionen des täglichen Lebens so lange wie möglich zu erhalten.
  2. Gleichgewicht und Bewegungskoordination zu schulen
  3. Rumpfkontrolle, Aufrichtung im Sitzen und die Kopfkontrolle zu trainieren.
  4. auf aktuelle Bedürfnisse einzugehen, z.B. schilderte Hr. Weber einmal, er sei auf dem Bahnsteig gestürzt und hätte nur mit Hilfe anderer Personen wieder aufstehen können. Daraufhin war das selbstständige Aufstehen aus der Bauchlage Thema der nächsten Therapiesitzungen. Auch ein Innenohrdrehschwindel nach dem Sturz konnte erfolgreich durch die Lagerungen und Übungen aus dem Drehschwindelprogramm behandelt werden. weitere Infos dazu hier

Besonders gut erwiesen haben sich in der KG-Therapie die Übungen im Schlingentisch:

  • Armaufhängung für Flexion/Extension im Schultergelenk in Seitlage (mit 500 gr Kurzhantel zur Vergrößerung der Schwungmasse/Massenträgheit).
  • Aufhängung für Abduktion/Adduktion in Rückenlage.

Elemente aus dem PNF-Mattenprogramm waren sehr gut geeignet zur Schulung von Bewegungskoordination und Transfers und zur Kräftigung von Rumpf- und Glutealmuskulatur. Die Matte hatte den großen Vorteil, dass Hr. Weber keine Angst vor einem Sturz haben musste. Durch die Sicherheit der Matte konnte er sich besser auf die Übungen konzentrieren. Beim Transfer vom Stand in den Langsitz auf der Matte war der sog. Rautek-Rettungsgriff hilfreich.

Nachdem die Hals-und Nackenmuskulatur soweit atrophiert war, dass er den Kopf nicht mehr selbstständig anheben konnte wurde eine passive Stütze benötigt, zunächst in Form einer Schanz´schen Krawatte, später ein Kunststoffkorsett mit massiver Unterstützung am Unterkiefer und am Hinterkopf. Dennoch haben wir regelmäßig versucht, die Hals-und Nackenmuskulatur zu aktivieren durch Stimulation der aufrechten Sitzhaltung gem. PNF und Ausbalancieren im Sitz an der Bankkante.

Bei Obstipation hat sich die Reflexzonentherapie am Fuß als gut geeignet erwiesen: U.A. intensive Stimulation der Zonen Colon ascendens, C. transversum, C. descendens, Sigmoid und Rectum.

Andreas Olbrich, Physiotherapeut

Dr. Frank Steinmann, Zahnarzt

Die Witwe von Herrn Matthias Weber hat mich darum gebeten einen Bericht über die Behandlung von ALS Patienten aus zahnärztlicher Sicht zu verfassen, damit dieser auf der eigens eingerichteten Homepage veröffentlicht werden könne.

Herr Weber war seit dem Jahr 2000 Patient in meiner Praxis. Als die Diagnose „ALS“ gestellt war, konnte die Behandlung anfangs noch ohne besonderen Aufwand durchgeführt werden.

Mit zunehmendem Fortschreiten der Erkrankung gestaltete sich eine Behandlung deutlich schwieriger.

Zum einen war eine „ideale“ Patientenlagerung fast unmöglich, da Herr Weber zunehmend unter Atemschwierigkeiten litt, die nur eine Behandlung in Sitzposition erlaubten. Eine Behandlung im Oberkiefer gestaltete sich also dementsprechend schwierig und erforderte einen erheblich höheren Zeitaufwand als üblich. Es empfiehlt sich daher, für ALS Patienten eine deutlich längere Behandlungsdauer einzuplanen. Bedingt durch die zunehmenden motorischen Ausfälle und die damit verbundene Schwierigkeit der Durchführung einer ausreichenden Mundhygiene ist es nach meinem Erachten sehr wichtig, dass Patient, Familie/Pflegepersonal und zahnärztliches Team sorgfältig die Mundhygiene überwachen. Eine unterstützende Behandlung mit desinfizierenden Spüllösungen halte ich hier für empfehlenswert, um das Risiko bakterieller Infektionen so gering wie möglich zu halten. Bei der Notwendigkeit einer prothetischen Versorgung gestaltet sich vor allem beim reduzierten Restgebiß die Planung als nicht ganz unkompliziert.

Herausnehmbarer Zahnersatz kann unter Umständen nicht anzufertigen sein. Im Fall von Matthias Weber, hat ein verändertes Schluckverhalten dazu geführt, dass ein herausnehmbarer Ersatz mit Gaumenbeteiligung nicht durchführbar gewesen wäre. Eine Implantatversorgung ist wegen der eingeschränkten Hygienefähigkeit eher nicht angezeigt, so dass man bei Patienten mit ALS ggf. eine Kompromisslösung wählen muss.

Wie bereits erwähnt ist meiner Ansicht nach die häusliche Mundhygiene ein ganz wichtiger Aspekt. Sie sollte durch das zahnärztliche Team durch professionelle Reinigungen und ggf. durch den Einsatz spezieller Spüllösungen unterstützt werden. Sollte einmal die Diagnose „ALS“ gestellt sein, empfiehlt sich im Frühstadium eine Sanierung des Gebisses, einschließlich parodontaler Therapie, wobei hier besonders viel Wert auf Pflegefähigkeit und oralen Komfort gelegt werden sollte.

ALS Patienten lassen sich grundsätzlich in der zahnärztlichen Praxis behandeln. Umfangreiche Behandlungen sollten immer mit den behandelnden Fachärzten abgestimmt werden und die Behandlung erfordert ein gutes Zeitmanagement und ein erfahrenes Behandlerteam.

Abschliessend möchte ich noch sagen, dass ich mit Herrn Weber einen Patienten verloren habe, den ich als Menschen sehr geschätzt habe und von dessen Mut und Durchhaltevermögen ich immer sehr beeindruckt gewesen bin.

Seiner Familie gilt mein aufrichtiges Mitgefühl.

Dr. Frank Steinmann

Ascheberg im Dezember 2009

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